Wenn wir zurückblicken- Im Gespräch mit Michel Mardaga

Wenn wir zurückblicken… verstehen wir das Leben

1,90 Meter groß und erwartungsvoll steht er vor mir. Beharrlichkeit und Ehrgeiz funkeln aus seinen frisch gelaserten Augen. Er geht seinen Weg. Allein. Seinen Lebenstraum im Gepäck und entschlossen seinen langersehnten Wunsch in die Tat umzusetzen- mit 36. Eine zweite Geburt, wie er sagt. Nun ist Michel 45 und am Neubeginn seines Lebens- ohne Wenn und Aber. Als Kind sucht Michel Anerkennung bei seiner Familie, möchte von seinen Mitschülern wahrgenommen werden, sein ICH finden. „Meine Kindheit empfand ich als Drama. Ich war ein sehr ängstliches Kind und mir fehlte es an Selbstvertrauen.“ Als Schauspieler oder Sänger sah er einen Kanal zur Selbstverwirklichung, doch seine Eltern sind dagegen. „Mein Kindheitstraum wurde zerstört“, erzählt er traurig. So gern hätte er die Schauspielschule um die Ecke besucht, seiner Leidenschaft Raum zum Wachsen gegeben. Den stillen Wunsch tief begraben, absolvierte er schließlich zur Freude seiner Eltern eine Ausbildung zum Restaurantfachmann und Koch.


Was bleibt vom Leben?

Michel füllte seine entstandene Lücke mit allerlei Ablenkung. Stets darauf bedacht seine innere Stimme zu übertönen, nicht hinschauen zu müssen. Seine emotionalen Bedürfnisse mit
Arbeit und Freizeitbeschäftigungen flicken wie einen kaputten Fahrradreifen- immer weiter, immer mehr. „Ich war sogar verheiratet. Aber glücklich und innerlich zufrieden, das war ich nie“, erzählt er mit Nachdruck.
Immer höher baut er seinen Turm. Verliert sich in seiner Arbeit, sucht nach Erfüllung und Bestätigung. „Nach zwanzig Jahren in der Gastronomie musste ich mir endlich eingestehen, dass ich unglücklich bin. Nicht sehen wollte, dass ich einen Weg gehe, der mich immer tiefer in die Leere führen würde. Aber ich hatte Angst hinzuschauen. Angst mein Leben umzukrempeln und wieder bei Null zu starten. Ich hatte Angst vor dem, was dann aus meinem Leben bleibt. Aus mir.“

Am Ende gelangt man dorthin, wo alles angefangen hat

„Ich wollte glücklich sein und war es nicht. Ich wollte mich finden, doch je mehr ich suchte, desto weiter entfernte ich mich davon. Mein Leben erfüllte mich nicht und so habe kurzerhand meinen Job gekündigt, war bereit endlich einen neuen Weg zu gehen. MEINEN.“ Zurück zu den Wurzeln hieß es. Zurück zu längst verborgenen Sehnsüchten, versteckten Träumen und Leidenschaften seiner Kindheitsträume. „Nach sovielen Jahren bin ich wieder da, wo alles angefangen  hat. Es ist, als würde ich erst jetzt anfangen zu leben.“ Und er hat sich viel vorgenommen. Michel besucht zahlreiche Workshops, bildet sich mit privaten Schauspiel- und Gesangsstunden weiter, fährt zu Castings und schafft es tatsächlich hier und da ein Bühnen-Engagement zu ergattern. „Für das große Geld reicht es zwar nicht und ich arbeite nebenbei als Servicekraft, aber jetzt, mit 45, bin ich glücklich und dankbar für jede Minute meiner neuen Möglichkeiten. Es ist, als hätte ich etwas wiedergefunden, wonach ich so lange gesucht und längst verloren glaubte.“

 (Interview & Bilder: Drei-Blick)